Der älteste Bruder meiner besten Freundin ist heute Nacht mit 42 Jahren gestorben. Man hatte zuerst eine Lungenentzündung vermutet und ihn deswegen auch im Krankenhaus behandelt; heute morgen fand man ihn tot in seinem Bett. Die Ursache ist unbekannt, er muss erst obduziert werden.
Ich kannte ihn nur flüchtig, aber S. hatte immer viel von ihm erzählt. Sie sagte heute am Telefon, dass sie ich nie Sorgen um ihn gemacht hat, weil er immer so stark und selbständig wirkte. Sie ist gut mit seiner 13-jährigen Tochter befreundet, die mit ihrer Mutter in Afrika lebt. Seine Tochter sollte eigentlich Ende diesen Jahres nach Deutschland zurückkommen, um bei ihm zu leben; sie hatten wohl eine aussergewöhnlich starke Bindung.
Ich weiss nicht, das ist alles so grotesk. Der Tod sollte so etwas normales sein, und ist doch immer wieder die absolute Genzerfahrung. Früher habe ich mich immer gefragt, was wohl die richtigen Worte seien, mittlerweile glaube ich zu wissen, das die Sprache in diesem Falle vielleicht nicht das richtige Kommunikationsmittel ist. Obwohl wir nie viel miteinander zu tun hatte und ich ihn noch nicht mal sehr mag , war S's Vater damals bei der Beerdigung meiner Mutter, was ich ihm niemals vergessen werde.
Wenn es irgend möglich ist, werde ich diesmal ebenfalls da sein.
Meine Herrn. Gestern ruft mich mein Vater an und erzählt mir, dass sich einige Paare in unserer alten Baptistengemeinde gefunden hätten, die einen Tanzkus machen wollen. Ein Frau dort kennt wohl einen Tanzlehrer, und da kam die Idee auf, den Kurs doch einfach in den Gemeinderäumen zu machen, die ja nun Wochentags leer stehen und auch nichts kosten würden.
Aber so einfach ist das doch nicht. Jetzt musste erstmal eine Gemeindestunde einberufen werden (Mit Abstimmung!) um zu klären, ob Tanzen Sünde sei und das in der Gemeinde erlaubt werden können. Sollte das geschehen, haben schon ein paar mit ihrem Austritt gedroht. Als ob die nur in der Gemeinde seien, weil dort nicht getanzt wird... Man man man. Da hatten wir schon in den 90gern ökumenische Jugendgottesdienste, die fast schon charismatisch geprägt waren. Aua. Gut, das ich da weg bin.
Meine beste Freundin hat zusammen mit ihrer gesamten Abteilung seit gut 2 Jahren sehr unter ihrer Abteilungsleiterin zu leiden. Neben fachlicher Inkompetenz addieren sich da Charakterschwächen, Lügen und Verläumdungen auf's Übelste, so dass sich das Betriebsklima nicht nur bei ihr bereits negativ auf die Gesundheit auswirkt. Ihre Chefin hat es sogar geschafft, die Geschäftsleitung auf ihre Seite zu ziehen und sich als Mobbing-Opfer zu stilisieren, dabei würde umgedreht eher ein Schuh draus werden. Von dem alten Team hat mittlerweile jeder gekündigt, dem es irgendwie möglich war, der Rest sitzt die Zeit ab und ist so oft krank, wie es eben geht.
Erst recht unbegreiflich ist der Zustand, da es sich um ein "alternatives" Unternehmen handelt, das mal gegründet wurde, um alles besser zu machen; das sich aber leider (nicht nur in dieser Abteilung) in seinen grössten Feind verwandelt hat. Aber nach aussen natürlich noch das Fähnchen des linksalternativen Projekts trägt.
Da ich nicht weiss, wie ich ihr helfen soll (kündigen wird sie erstmal nicht können) habe ich vor einiger Zeit angefangen, für ihre Chefin zu beten. Gestern erzählte mir meine Freundin, das sich das Klima seit kurzem etwas entspannt habe, und sogar die Supervision, in der sich normalerweise alle angeschreien oder gegenseitig beschuldigen, recht fruchtbar war.
Das freut mich natürlich unheimlich und ich danke Gott, das er etwas tut.
*Ist Kölsch und bedeutet: Wenn das Beten sich lohnen würde. Stammt von der mir nicht gerade sympathsichen Gruppe "Bap" und geht weiter mit: "watt minste watt isch dann bedde däät." Little do they know.
Da der icf seine Predigten über iTunes als Podcast anbietet, habe ich dort mal geschaut, was es sonst noch so erbauliches gibt und bin auf Predigten der Willow Creek Church gestossen. Da ich Bill Hybels nur dem Namen nach kannte, habe ich mir mal 3 Predigten über Maleachi runtergeladen (Leider kann man das nicht verlinken; einfach bei iTunes nach "Willow Creek" suchen; dann oben rechts auf Podcasts gehen und den Willow Creek Podcast der Willow Creek Community Church auswählen". Einfach... Naja.)
Und bin sehr beeindruckt. Ersteinmal kann ich Hybels gut zuhören, auch, wenn er mir manchmal ein wenig zu beeindruckt von seinen eigenen Worten ist. Aber seine beiden Predigten zu Maleachi (auch die eine von John Ortberg) unter dem Titel "Living Excellent Lives" sind wirklich beeindruckend. Und zumindest eine spricht natürlich auch meine momentane Frage nach dem 10. an.
"Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Hause Speise sei, und prüft mich hiermit, spricht der HERR Zebaoth, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle."
Ein Gedanke war, dass den 10. zu geben wirklich das absolute Minimum an Dankbarkeit ist, das wir Gott geben können - im Vergleich mit der Bereitschaft, ihm unser ganzes Leben zu überantworten, was natürlich stimmt. Hatte ich in einem älteren Post nicht geschrieben, das mir Geld nicht so viel bedeutet? Offensichtlich doch, wenn es mir bislang so schwer gefallen ist, Gott seinen Anteil zu geben. Übrigens habe ich neuerdings auch das Bedürfnis, Bettlern etwas zu geben, und wer das Bettleraufkommen in Berlin kennt, weiss, das man immer einiges an Kleingeld in der Tasche haben sollte.
Für Hybels geht in in Maleachi generell um das Neujustieren von Qualitätsstandarts in Beziehungen - zu Gott, untereinander, und nicht zuletzt zum Geld. Und auch das trifft eigentlich genau das, was ich gerade erlebe. Meine Beziehung zu Gott hat sich in den letzten Wochen wirklich sehr gewandelt, und ich würde sagen: So innig war sie noch nie, aber auch gleichzeitig so dynamisch. Vielleicht erlebe ich zum ersten Mal, dass ich wirklich etwas von Gott erwarte, und ihn nicht von vornherein ein Erwartungsschema habe, in dessen Grenzen er sich bitte mal manifestieren möge. Es ist ein wenig wie das Öffnen einer Faust und ich weiss, dass dies ein Prozeß ist, der noch einige Zeit dauern wird, und während dessen ich mich immer wieder fragen muss, ob mir wohl dabei ist, oder nicht. Und warum das so ist.
Ich hatte schon früher Zeiten, in denen ich mich Gott ziemlich nah fühlte, aber er ist mir jedes Mal wieder unwichtiger geworden. Ich hoffe inständig, das mir das nicht nochmal passiert.
Gestern war ich also wieder beim icf-Gottesdienst, den ich im Dezember schonmal besucht habe. Ich muss gestehen, das ich mich richtig drauf gefreut habe, die Freunde jedoch einer Verunsicherung Platz machte, je näher der Termin rückte. In gewisser Weise erinnerte mich das an meine Unsicherheit während der Christmette in meiner alten Gemeinde, aber gestern gingen meine Fragen in eine andere Richtung.
Ich war immer jemand, der einen Großteil seines Selbstbewußtseins aus seiner Arbeit zog. Ich denke nicht, das ich zur Arroganz neige, aber mein Auftreten war ein anderes, als ich noch meinen Traumjob hatte. Auch über meine musikalischen Unternehmungen konnte ich mich immer gut definieren; leider hat sich da nach der Auflösung meiner letzten Band vor mehr als einem Jahr auch nichts mehr getan. (Kleine Randnotiz: Ich habe gerade meine "5 Dinge, ihr noch nicht wusstet" nochmal gelesen: Das liesst sich auch genau so: wie jemand, der es nötig hat, sich durch Vergangenes zu profilieren. Peinlich, eigentlich. Ist aber leider so.)
Momentan ist da also wenig, worauf ich "stolz" sein könnte. Aber sollte man sein Selbstbewußtsein als Christ nicht aus der Tatsache beziehen, das man sich von Gott geliebt weiss? Und das tue ich tatsächlich, in der letzten Woche hatte ich ein Gefühl von Nähe zu Gott wie schon lange nicht mehr. Aber da tut sich eine Lücke auf - wenn ich mich durch Leistung nicht mehr definieren kann, warum kann ich es dann nicht durch die Liebe Gottes?
Das wirft auch noch eine weitereFrage auf: In wie weit beurteile ich eigentlich andere Menschen über ihre Leistungen? Normalerweise würde ich das weit von mir weisen, aber ich sollte wohl mal darüber nachdenken, in wie weit sich das doch bei mir eingeschlichen hat.
Lustigerweise kam ich auf dem Hinweg zur Kirche an einem versifften Swingerclub mit dem Namen "Zügellos" vorbei. Denn genau danach sehne ich mich eigentlich: Nach einer Begegnung mit Gott ohne zu meinen, ihm meine Zügel verpassen zu müssen...
Leider fühlte ich mich diesmal während des Gottesdienstes nicht so befreit. Da ich morgens verpennt hatte, bin ich abends hingegangen. Jemand hat mich auch sofort angesprochen, aber das war's dann auch, er hat mich weder anderen vorgestellt, noch hat er danach nochmal hallo gesagt, und ich fühlte mich eher wie ein Fremdkörper dort.
Das Thema der Predigt war der Anfang des Jakobus-Briefs: Wie man den Glauben im Alltag behält. Besonders diese Stelle schien mir aufschlussreich:
6 Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht; denn wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und bewegt wird.7 Ein solcher Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde. 8 Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen.
Momentan habe ich zwar wenig Zeifel an Gott, aber mein Leben war im Prinzip das eines Zweiflers: Ich habe nie etwas wirklich zuende gemacht, habe 1000 Sachen angefangen und doch wieder abgebrochen. War ich mir nicht sicher? Wie oft habe ich mich Gott nahe gefühlt und habe mich dann doch wieder von ihm enfernt?
Vielleicht muss mir Gott erstmal den Boden unter den Füssen wegziehen, bevor er mit sich selber zur Sache kommt. Man, soviele Fragen, soviele Ansätze, schon wieder. Manchmal fühle ich mich wie jemand, der im ersten Level eines Computerspiels gefangen ist und nicht weiter kommt, weil er nicht versteht, was er machen soll und irgendwelche Dinge auf dem Weg nicht mitgenommen hat...
Nächsten Sonntag gibt es nach dem GD eine Infoveranstaltung über das icf, zu der ich mal gehen werde, vielleicht ist es in kleinerem Kreis einfacher, sich kennezulernen. Und das, habe ich gemerkt, ist ein wichtiger Faktor, damit ich mich in einer Gemeinde wohl fühle: Persönliche Beziehungen zu Leuten.
Zu allem Überfluss ist diese Woche eine Gesprächsgruppe in meiner alten Gemeinde. Es geht um eine Neugliederung der Hauskreise, und obwohl ich mal Interesse signalisiert habe und auch eingeladen wurde, weiss ich nicht, ob ich hingehen soll. Mein Hunger nach einer anderen Form GD, die mich Gott näher bringt, wird duch einen neuen Hauskreis nicht gestillt werden. Vielleicht sollte ich dem Pastor mal eine mail schreiben und ihm das alles erzählen...
Pickaboo hat mir ein Stöckchen an den Kopf geworfen, und - nun gut, 5 Dinge, die man nicht von mir wusste, kriege ich leicht zusammen:
1. Ich habe für die SPD während des Wahlkampfes 1998 gearbeitet.
Der Ex-Freund meiner besten Freundin ist recht erfolgreich die Karriereleiter in der SPD hochgefallen und konnte mir damals während des Wahlkampfs eine Stelle als Wochenend-Pressedepp in der KAMPA, der Wahlkampfzentrale des Parteivorstandes, besorgen. Ich musste am Samstag und am Sonntag jeweils 5 Stunden auf den Ticker aufpassen und bei wichtigen Meldungen des Pressesprecher des Parteivorstandes anrufen. Hin und wieder gabs auch mal eine Pressemitteilung zu faxen. Ansonsten habe ich ferngesehen und aus dem Fester geschaut. Und für ein Wochenende 400 DM bekommen.
Meine "Politikverdrossenheit" war damals noch nicht sehr ausgeprägt, was sich nach diesem Job schnell geändert hat.
2. Ich bin 1993 mit 21 Jahren allein durch die halbe USA gefahren
Ich hatte gerade meinen Zivildienst hinter mir und mein Bruder, der als Nato-Mitarbeiter in Texas lebte, lud mich für ein halbes Jahr ein. Ich machte für $26 einen Führerschein, er kaufte mir ein Auto und ich fuhr mehrere Wochen durch den Westen der USA. In diesen Wochen bin ich erwachsen geworden und seitdem wünsche ich mir, für einige Jahre in den USA oder in Kanada zu leben. Wird aber wohl nichts. Ich kann mir ja noch nicht mal einen Urlaub leisten.
3. Ich habe alle Alben von Neil Young, bis auf eines.
Oh ja. Ich finde zwar lange nicht alle gut, aber bin immer wieder beeindruckt, wie ernst er seine Vision verfolgt. "Journey Through The Past" von 1972 habe ich bislang leider nie ergattern können.
4. Ich habe aucf 2 Alben Gitarre gespielt.
Ich habe als Musiker früher immer davon geträumt, irgendwann mal auf einem Album zu spielen. Gott hat mir diesen Wunsch zwei Mal erfüllt; beide Male wurde ich als Gastmusiker eingeladen, und hinterher fühlte sich das Leben nicht anders an. Allerdings schätze ich, das von beiden Platten zusammen nicht mehr als insgesamt 500 St. verkauft wurden. Und die eine CD ist wirklich toll. Leider hat sich danach nichts mehr daraus ergeben. Allerdings würde ich gerne noch mal als Tourmusiker einige Woche unterwegs sein.
Leider alleine... ahem. Das muss so 2001 gewesen sein. Der Chef des Labels. für das ich damals tätig war, hatte sie in NY kennengelernt, und als sie kurz darauf in Berlin war, ist sie bei uns vorbei gekommen und ich habe ich sofort in sie verliebt. Unglaublich talentiert, ziemlich schüchtern, aber sehr interessiert und neugierig. Es kam dann soch nicht zu einem Vertrag, was wohl auch besser für sie war, denn wir hatten die Mittel nicht gehabt, die sie benötigt hätte. Hier noch ein Bild von dem Nachmittag damals.
...und wer immer sich das Stöckchen nehmen will, soll es tun. Das Bodenpersonal vielleicht
Gestern habe ich nach zweiwöchiger Pause wieder angefangen, Zeit mit Gott zu verbringen, und es war aller hoher Erwartungen zum Trotz eine ziemliche Katastrophe. Ständig klingelte das Telefon oder die Katzen nervten rum, und ich konnte mich einfach nicht von meinen Sorgen lösen. Ich hab's dann irgendwann abgebrochen und war enttäuscht.
Als ich heute gebetet habe, fiel mir allerdings auf, das ich sehr wohl eine erstaunliche Begegnung mit Gott hatte, die irgendwie untergegangen war. In den paar Minuten, in denen ich mich konzentrieren konnte, hatte ich zeitweise den Eindruck, das etwas in mir beten würde, ohne, das ich darüber nachdenke. Es schien mir, als ob ich den Verschluss einer Flasche zuhalte und nur ganz langsam öffne, und ich mehr mit Gott erlebe, je weniger ich den Deckel drauf halte. Ich habe so etwas noch nie erlebt und bin heute ganz erstaunt, dass es mir so entfallen ist...
Ich weiss, dass ich den 10. spenden soll. Schon lange. Aber ich schaffe es nur äusserst selten; und dann auch nur an einem Monat.
Gerade jetzt, wo das Geld wirklich knapp ist und sich die Dinge häufen, die bezahlt oder ersetzt werden müssen, will ich versuchen, mich an diese Regel zu halten. Nicht zuletzt in der Hoffnung, das Gott sich dann auch um meine Rechnungen kümmert, wie auch immer er das anstellt.
Eine Frage trage ich aber mir mir rum: Sollte ich vielleicht erstmal meine Schulden abzahlen, bevor ich das Geld an die Gemeinde überweise? Oder sollte der zu spendende Betrag von den restlichen Verpflichtungen unabhängig sein?
Die Hinrichtung von Saddam Hussein erinnerte mich an meinen Lieblings-Comedian Bill Hicks, der sich in einem seiner Programme gefragt hatte, warum es Christen gibt, die vor Gefängnissen für die Todesstrafe protestieren und darauf mit dem Satz antwortete: "I didn't knew "Thou shalt not kill" came with a footnote".
Das einzig Interessante an der Saddam-Hinrichtung war für mich der Ort des Geschehens. Während die USA ihre mitunter vermeintlichen Kapitalverbrecher ja in Räumen ermordet, die durch ihre Ausstattung etwas "offizielles" und somit auch rechtfertigendes haben, hat der Irak seinen Saddam in irgendeinem hässlichen Drecksloch über die Klinge springen lassen, und das zu allem Überfluss auch noch von Hobby-Henkern in schlechtsitzenden Lederjacken. Und dokumentiert wurde es mit einem Photo-Handy (!).
Man sieht also wieder aufs Neue: Alles show, alles zusammengelogen. Die Iraker haben der staatlich angeordneten Todesstrafe wieder den Ort zugewiesen, der einem Mord - gleich an wem - zusteht: Ein hässliches Drecksloch.
John H. von The Confessing Evangelical hat einen Post über die biblischen Grundlagen der Todesstrafe geschrieben, den ich, trotz seiner leichten Wirrniss, für lesenswert halte. Er beschreibt die Inkosistenz der Rechtfertigungen aus dem alten Testament heraus, und hinterfragt auch Römer 13, wobei ich mich immer wundere. wie naiv man sein muss, um dieses Kapitel als Rechtfertigung jeglicher staatlicher Intervention zu lesen.
Nicht, das es mich überraschen würde, aber der "Glaubensblog" des im letzten Jahr mit viel tamtam gestarteten Blognetzwerkes "Germanblogs" scheint einen einsamen Tod zu sterben. Angeblich sollen dort ja "die Experten" bloggen; schön und gut, aber zumindest den Glaubensexperten scheint man im Vorfeld nicht erzählt zu haben, was das mit dem "bloggen" so auf sich hat. Und vor allem: Das es in diesem Falle eine gute Idee sein kann, nicht für eine bestimmte Klientel zu schreiben, sondern von eigenem Interesse geleitet. Die meisten Beiträge konnten sich noch nicht mal entscheiden, ob sie für Christen oder für religiös interessierte gedacht waren, und lasen sich wie Kommtentare für ein Printmagazins.
Was man nicht alles erfährt, wenn man zufällig die Pro Sieben-news sieht: Kurtis Blow ist mittlerweile Pastor einer Gemeinde in New York! Und natürlich gibt es dort Hip Hop statt Paul Gerhardt. Angeblich soll das eine neue Idee sein, kann ich mir aber kaum vorstellen...
Weihnachten verbringe ich immer bei meinem Vater auf dem Land. Am 26.12.1990 ist meine Mutter im Alter von 58 Jahren an den Folgen zweier Schlaganfälle gestorben, seitdem findet Weihnachten als Fest für uns nicht mehr statt. Immerhin essen wir an Heiligabend noch Würstchen mit Kartoffelsalat, aber das ist dann auch die einzige Tradition, die überlebt hat.
Das Dorf, über das ich mit meinen Freuden nur als "Dreckskaff" rede, ist nicht gerade mein Lieblingsplatz auf der Welt. Ob wohl ich gerne bei meinem fast 80-jährigen Vater bin, stellt die Umgebung hier eher eine herzliche Einladung zum Selbstmord dar. Leichte Depressionsanfälle kann ich recht erfolgreich mit gezielten Gaben von Alkohol bekämpfen, aber diesmal hat es mich doch stärker erwischt als sonst.
Eines der wenigen Highlights hier ist die Christmette in unserer alten Gemeinde in der nächst grösseren Stadt. Hier treffe ich meistens alte Freunde aus meiner damaligen Jugendgruppe; zu keinem von ihnen habe ich sonst mehr Kontakt, obwohl wir damals teilweise wirklich sehr eng befreundet waren. Doch als ich mich am Sonntag für den Gottesdienst fertig machte, kamen mir neben den üblichen Gedanken auch welche, die ich normalerweise nicht habe und die ich auch überhaupt nicht lustig finde. Denn bei den ganzen smalltalks, die man führt, wenn man sich lange nicht gesehen hat, gibt es immer wieder eine Frage, die mich die Wände hochtreibt - Die Frage, wie es mir denn wohl ginge.
Eines Vorweg: Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und wir waren relativ arm. Trotzdem hat Gott uns immer genug zum Leben und noch viel mehr dazu gegeben. Geld war mir nie wichtig, ich hatte immer alles, was ich brauchte, und auch deswegen habe ich nach dem Abi erstmal angefangen, zu studieren. Während ich mich also (als fast einziger meiner Jugendgruppe, übrigens) als Nachwuchs-Bohèmien auf übel beleumundeten Unifeten rumtrieb, haben meine damaligen Freunde fast ausnahmslos ihre Traumjobs bekommen und teilweise sogar Karriere gemacht.
Daniela, in die ich geschätze 5 Jahre heimlich verliebt war, hat eine Ausbildung zur Therapeutin gemacht und ehelichte einige Jahre später einen Pastor in spe und das war wohl genau das, was sie wollte. Frank, einer meiner besten Freunde damals, hatte eine verunglückte und bizarr unpassende Ausbildung zum Finanzbeamten hinter sich, als er als Quereinsteiger bei einem Chemieunternehmen unterkam. Innerhalb weniger Jahre hat er dort eine unfassbare Karriere gemacht und war noch keine 30, als er sich als technischer Direktor eines neuen Werkes in Brasilien wiederfand.
Auch die meisten meiner Freunde aus der Schule, die eigentlich nie vor hatten, eine irgendwie geartete bürgerliche Karriere anzustreben, haben doch eine gemacht. Frank z.B. hatte Kunstgeschichte studiert und wir hatten und damals zeitgleich einen Mac gekauft, das muss so um 1994 gewesen sein. Wir spielen viel mit Photoshop und Quark rum. Eines Tages antwortet er auf eien Anzeige einer lokalen Tageszeitung, die einen Aushilfsgraphiker suchten. Trotz des Fehlens jeglicher Qualifikationen wurde er genommen und ist jetzt Chef der Abteilung und verdient das Vierfache von mir.
Ich freue mich für meine Freunde, ganz ehrlich. Aber was soll ich auf die Frage antworten, wie es mir denn ginge? Ich könnte antworten, dass, als ich vor 2 Jahren meinen Traumjob bei einer Plattenfirma verloren habe, alle anderen Labels ebenfalls Leute entlassen haben, was dazu führte, das ich den einzigen Job annehmen musste, der mir trotz aller Kontakte angeboten wurde. Dieser Job ist schlecht bezahlt, semi-offiziell, und auch, wenn er im weitesten Sinne mit der Musikindustrie zu tun hat, interessiert er mich nicht. Ich verdiene nicht genug, um mich krankenversichern zu können; dazu kommt noch die Bafög-Rückzahlung, die mich ziemlich beutelt.
Mein erstes, geisteswissenschaftliches Studium musste ich aufgrund einer Depression abbrechen. Das zweite Studium habe ich abgebrochen, weil ich damals (endlich!) den Traumjob bekam. Der war zwar nach einiger Zeit nicht mehr so traumhaft, da der Chef sich als unfähiges profilneurotisches Arschloch herausstellte, der den Laden nur aufgrund der grosszügigen Geldspritzen seines Milliuonäresvaters am Laufen hielt, aber die Arbeit habe ich trotzdem geliebt. Dann ging das den Bach runter und seit dem sind meine persönliches Lebensumstände kontinuierlich schlechter geworden.
Nur um das klar zu stellen: Es geht mir nicht schlecht. Ich habe eine tolle Freundin und komme über die Runden, aber gut... Das scheint mir doch anders auszusehen.
Vielleicht bin ich undankbar, aber ich habe immer geglaubt, das Gott noch einen Trumph im Ärmel hat, und das die jahrelange Warterei sich auszahlen würde in Form einer vernünftigen Arbeit, denn wenn alle anderen eine haben, warum sollte Gott mich vergessen? Aber mittlerweile bin ich Mitte 30, und meine Hoffnung, das es irgendwann einmal peng macht, verabschiedet sich langsam, aber sicher.
Vor zwei Jahren, da gab es nochmal einen solchen Moment: Nach meiner Entlassung habe ich über alte Kontakte erfahren, das mein absolutes Lieblingslabel jemanden sucht. Ich traf mich mit dem Chef, wir kamen sehr gut miteinander klar und dann - hörte ich nichts mehr von ihm. Ein halbes Jahr später sah ich ihn auf einem Festival und er entschuldigte sich und erzählte, dass es ehemaliger Praktikant von ihm seine Ausbildung bei einem anderen Label beendet hatte und nicht übernommen wurde, und da er ihn bereits kannte, hat er ihn eingestellt. Ich wäre aber derjenige gewesen, der ihm von allen sonstigen Bewerbern am besten gefallen hätte. Ahja.
Wenn ich also ehrlich wäre, müsste ich auf diese Frage nach dem eigenen Befinden sagen: Eigentlich habe ich keine Ahnung, wie es mir geht. Meinen jetzigen Job werde ich wohl nicht mehr allzu lange machen, und was danach kommt - ich weiss es nicht. Gute Zeugnisse, aber keine abgeschlossene Ausbildung sind in Deutschland ja immer noch die Eintrittskarte zur Arbeitslosigkeit. In der Musikindustrie war das früher kein Problem, sondern eher der Normalfall, aber heute hat sich auch das geändert.
In den letzten Monaten habe ich nebenbei angefangen, selbständig zu arbeiten, aber in wie weit das Früchte tragen wird, kann ich noch nicht absehen. Jedenfalls arbeite ich selten weniger als 10 Stunden am Tag, aber das ist ok. Obwohl ich mir wünschte, mehr Zeit zum Musikmachen zu haben, aber das ist mir momentan nicht so wichtig.
Ich mag alle diese Gedanken nicht. Lese ich mir das durch, dann frage ich mich, wie lange es wohl dauert, bis ich bitter; oder, fast noch schlimmer, bevor ich neidisch werde auf den Erfolg meiner Freunde. Vielleicht sind das auch schon die ersten Vorboten der Midlife-Crisis. Ein Therapeut, den ich mal kennengelernt habe, meinte, das diese Krise eigentlich unvermeidlich ist, wenn man bis 40 noch nicht "sein Ding" gefunden habe. Obwohl, ich weiss schon, was "mein Ding" ist: Die Musik.
Am Sonntag war ich wieder in meiner alten Kirche, da die ICF ein Weihnachtsmusical aufführte und deshalb der Gottesdienst ausfiel. Ich weiss nicht, ob die fast leere Kirche den anderweitigen Verpflichtungen des Pastors an diesem morgen geschuldet waren, jedenfalls herrschte eine etwas lähmende Atmosphare, die mir überhaupt nicht gefiel.
Ich bin ja immer noch teileuphorisiert vondem ICF-GD letzte Woche, aber auch zu nüchtern, um nun alles andere in Bausch und Bogen zu verurteilen; trotzdem komme ich nicht umhin, einige Fragen zu stellen.
Wenn Jesus etwas mit meinem heutigen Leben zu tun haben soll, warum singe ich dann ausschliesslich Lieder, die grösstenteils hunderte von Jahren alt sind? Warum steht -abgesehen von den Schriftlesungen-immer nur der Pastor auf der Bühne? Warum betet auch nur der Pastor? Wo steht eigentlich, dass der Gottesdienst ein Frontalunterricht ist? Warum kommt keine der Gaben Gottes (von der musikalischen mal abgesehen) im GD vor?
Das macht mich alles unzufrieden.
Zu allem Überfluss war da auch noch eine junge Frau, die anscheinend das erste Mal da war. Normalerweise merke ich das nicht, da ich zu selten da bin, aber bei ihr war es schon etwas auffälliger. Ich hatte auch den Eindruck, das ich sie ansprechen sollte, aber zum einen bin ich der Meinung, dass das Begrüssen von Besuchern jeweils gleichgeschlechtliche Mitglieder machen sollten, und zum anderen: Was sollte ich ihr sagen? Das ich gerade etwas angenervt und dabei bin, mir eine andere Gemeinde zu suchen? Für das Willkommenheissen war das der für mich schlechteste Zeitpunkt überhaupt, weshalb ich auch nichts gesagt habe und mich natürlich schuldig fühlte hinterher. Mist.
Ah, Listen. Eine gute Gabe Gottes. Hier ein paar meiner Lieblingdinge 06, mit Inhaltsangabe in a nutshell:
Die 20 besten Alben
1. Howe Gelb - Sno Angel Like You Der grosse Mann des Bastelns. Hier mit Gospel-Chor und der für mich inspirierendsten Platte des Jahres. Würde ich sofort ehelichen, wenn das irgendwie Sinn ergäbe.
2. Tom Waits - Orphans Der erste Satz im Rolling-Stone-Special über ihn sagt alles: "Die Luft um Tom Waits biegt sich, wie er will."
3. Joanna Newsom - Ys Joanna und Van Dyke Parks - a match made in heaven. Kunstlieder ohne Distanz.
4. Morrissey - Ringleader of the Tormentors Finde ich noch besser als You Are The Quarry. Der Mann hat etwas, das sich Bono, Sting und diese ganzen anderen Schwachmaten für Geld nicht kaufen können: Stil. Und Sonntag gehe ich endlich aufs Konzert.
5. Sufjan Stevens - The Avalanche Outtakes, aus denen nicht wenige Musiker gleich drei Alben schustern würden.
6. Tortoise & Bonnie 'Prince' Billy - The Brave And The Bold Nur Covers, zumeist von mir unbekannten Songs. Alle anders, alle gross.
7. Sonic Youth - Rather Ripped So gut in der Spur waren sie seit Ewigkeiten nicht. Und Kim Gordon spielt auch endlich mal was anderes als die Gesangsmelodie. Das Berliner Konzert war leider schneller ausverkauft, als ich "Vorverkauf" sagen konnte.
8. Bruce Springsteen - We Shall Overcome War lange auf Platz 1. Nur Songs von Pete Seeger, mit toller Band live eingespielt. Hätte nicht gedacht, das der olle Macho-Krakeeler mir mal so zu Herzen gehen kann.
9. Danielson - Ships Ein Spinner aus den Sufjan Stevens-Umfeld. Tolle, zeitweise etwas anstrengende Platte mit dem Song des Jahres: "Did I step on your trumpet?"
10. Markus Rill - The price you pay for sin Rootsrock, aber sowas von phantastisch, da können viele Amis nicht mit. Ist leider Deutscher, deshalb hat er lange nicht den Erfolg, den er haben sollte.
11. Johnny Cash - American V Irgendwie ein Abschied, auch, wenn noch mehr Alben kommen sollten. Manchmal schwer zu ertragen. Cash war vielleicht der erste "postmoderne" christliche Musiker, der die Widersprüche in seinem Leben offen gelegt hat, und nicht verlogen war. Deshalb war er für mich eher Vorbild als alle Bill Grahams und Reinhard Bonnkes dieser Welt. Es ist schmerzlich zu wissen, das er nicht mehr da ist.
12. Neko Case - Fox Confessor Brings The Flood Anfangs war ich etwas enttäuscht, aber die Platte ist ein wahrer grower. Man, was für eine Stimme. Was für eine Frau.
13. Wovenhand - PUUR Eigentlich mitunter zuviel Pathos, aber Mr. Edwards darf das. Musik für ein Tanzprojekt. Zum Glück liegt keine DVD bei.
14. Archie Bronson Outfit - Derdang Derdang In einer Kneipe gehört und augenblicklich Fan geworden. Haben natürlich Bärte, das muss auch so.
15. Dan Reeder - Sweetheart Das Überraschungsmoment des ersten Albums ist zwar etwas weg, aber die Songs sind teilweise noch besser, auch abwechselungsreicher arrangiert. Den will ich unbedingt mal live sehen.
16. Bonnie 'Prince' Billy - The Letting Go
Wun-der-schön. Mir nicht ganz so nah wie Master & Everyone z.B., aber er betreibt weiter Geniezementierung. Soll er.
17. Hem - Funnel Cloud Mir völlig unbegreiflich, warum die niemand kennt. Funnel Cloud ist vielleicht ihre beste, aber ein zweites "When I was drinking" ist da leider nicht drauf.
18. Ron Sexsmith - Time Being Nicht ganz so gut wie die Vorgänger, aber mit dieser Stimme kriegt er mich immer.
19. Laibach - Volk Ihre beste seit Opus Dei, Und das ist schon fast 20 Jahre her...
20. Scott Walker - The Drift Es gibt Leute, die finden das teilweise ungewollt komisch. Aber es gibt ja auch Leute, die halten Dieter Falk für einen guten Produzenten,
Jutta Speidel und ihr Lebensgefährte Bruno Maccallini (das ist übrigens die "Ich habe gar kein Auto!" Capuccino-Nase) haben ein Hörbuch veröffentlicht. Sie lesen das Hohelied der Liebe laut vor. Bruno Maccallini hat einen italienischen Akzent, der sich anhört, wie ein deutscher, der einen italienischen Akzent vortäuscht. Den Hintergrund hat jemand mit schleimigem Ethno-Kitsch inkl. Panflöten und ähnlichem Instrumentarium tapeziert, es wird gar mit"authentischen arabischen Instrumenten" gedroht. „Diese Texte sind Oasen der Poesie in einem modernen Alltag sprachlicher Grobheit“, sagt Jutta Speidel. Im Pressetext fallen noch Worthülsen wie poetisch-spirituell, magischen Malereien aus Sprache, archaische Räume des Vor-Christentums.
Es muss Weihnachten sein. Und Katja Ebstein wird sich in den Hintern treten, das ihr sowas nicht eingefallen ist.