Im Radio läuft gerade diese fürchterliche Instant Karma-Version der noch unerträglicheren U2 und ich versuche, nicht an meinem Vater zu denken. Aber wie soll das gehen - seit zwei Wochen fahre ich täglich eine Stunde mit dem Bus nach Siegburg, um ihn für maximal zwei Stunden auf der Intensivstation besuchen zu können, und dann eine Stunde wieder zurück. Jeden Tag rufen mindestens 3 Leute an, um zu fragen, wie es ihm geht, was ich vom Prinzip her natürlich schön finde. Solange es langsam besser geht, macht mir das nichts aus. Aber wenn ich selber Angst habe, was wird denn dann von mir erwartet? Durchhalteparolen? Die Wahrheit? Aber was ist die Wahrheit? Schliesslich reime ich mir selber jeden Tag aus's Neue zusammen, wie es ihm wohl geht.
Heute gibt es nichts Gutes zu berichten. Er schien wieder viel weiter weg zu sein, hat mich kaum angesehen und auch keinen Händedruck hingekriegt. In den letzten drei Tagen ist es so viel besser geworden, aber ihn heute zu sehen hat mich fertig gemacht. Er hat sich viel bewegt in seinem Bett, was eigentlich ein gutes Zeichen ist, aber seine Bewegungen erinnerten mich deutlichst an die meiner Mutter, nachdem sie ihre Schlaganfälle bekommen hatte. Der Arzt sagt, er habe eine Heparin-Unverträglichkeit (ein Blutverdünnungsmittel), was zu vielen kleinen Verschlüssen im Gehirn geführt haben könne. Der Neurologe will noch Untersuchungen machen, aber es könnte sein, dass er in einem Dämmerzustand bleibt, aus dem er nicht mehr aufwacht. Und als ich ihn heute da so liegen da, mit so wenig Bewußtsein hinter seinen Augen, da hatte ich ein sehr schlechtes Gefühl.
Die Frau, die mit ihm auf dem Zimmer liegt, hatte ähnliches, nur schlimmer: Sie hatte eine Allergie gehen Heparin, was zu einem Herzinfakt nach der Bypass-OP führte und ihr ging es sehr schlecht. Langsam berappelt sie sich wieder, und an manchen Tagen sieht es so aus, als ob die beiden ein morbides Wettrennen führen, wer denn wohl als erster aufwacht. Wenn überhaupt.
Ich musste mich heute sehr zusammenreissen, um im Kranlenhaus nicht einfach hemmungslos loszuheulen. Dabei weiss ich, dass Gott bei uns ist. Es beten so viele Leute für ihn, und ich fühle mich in meinem täglichen Gebetszeiten meist sehr geborgen. Ich muss an Storchs Heilungs-Serie denken und frage mich manchmal, ob ich Schuld daran sein könnte, wenn mein Vater nicht geheilt wird, weil ich irgendwas falsch gemacht habe - nicht genug geglaubt, nicht früher versucht, diese Gabe zu üben - irgendwas.
Ich muss jetzt ins Bett. And we all shine on.
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Onkel Toby - 10. Okt, 00:04